Dienstag, 11. Mai 2010

Gesellschaft | Politik: Frauen in Spitzenpositionen - in Deutschland eine Ausnahmeerscheinung?

Die 100 umsatzstärksten Unternehmen Deutschlands werden in ihren Vorständen durch 437 Männer und exakt 4 Frauen vertreten. Dieses Missverhältnis ist traurige Realität in den Spitzenpositionen deutscher Unternehmen.

Das öffentlich-rechtliche Magazin "Monitor" hatte in seiner Sendung vom 25.03.2010 dieses Thema aufgearbeitet und mich motiviert es hier aufzugreifen.

99% Männerquote, wie kann es dazu kommen?

Frauen hatten noch bis vor rund zwei Generation deutlich schlechtere Bildungchancen, mussten sich in die traditionelle Rolle der Hausfrau und Mutter fügen, galten generell als weniger leistungsfähig und teilweise sogar dümmer als Männer. Aufklärung und offenere Denkschemata ermöglichen inzwischen Frauen diesselben - wenn nicht sogar bessere - Bildungschancen. Die traditionelle Rollenverteilung ist nicht mehr zwingend gegeben und die restlichen Vorurteile sind auch längst ausgeräumt. Warum sind Frauen also in hohen Positionen so massiv unterrepräsentiert?
Insider nennen die so genannten "Old-Boys-Netzwerke" als das größte Problem. Diese althergebrachten vorwiegend männlichen Kreise kontrollieren die Besetzung der hochdotierten Managerpositionen. Sie zeichnen sich dabei weniger durch innovative Entscheidungen als durch konservative Erhaltungsstrategien unter dem Motto "Gleich zu Gleich gesellt sich gern" aus.
Desweiteren scheinen diese sog. "Old Boys" in gesellschaftlichen Milieus zu verkehren, in welchen Frauen üblicherweise eine Dienstleisterrolle einnehmen, in jedem Falle aber nicht gleichwertig sind.
Ist also die Emanzipierungsbewegung an diesen, auf alten Werten (und altem Geld) gegründeten, Kreisen vorbeigegangen?

Was kann man unternehmen um Frauen die selben Chancen wie Männern zu ermöglichen?

Die aktuelle Regierung unter Bundeskanzlerin Merkel hatte sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt mehr Frauen in Spitzenpositionen zu bringen. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder, CDU, setzt dabei auf Freiwilligkeit und legt der Wirtschaft den sog. "Corporate Governance Kodex" ans Herz. Über diesen "Kodex für gute Unternehmensführung" müssen die Unternehmen einmal jährlich berichten, erweitert wurde er nun um die Angabe des Frauenanteils. Interessanterweise wird dieser Kodex von einer Regierungskommission erstellt, welche aus 12 Mitgliedern besteht, darunter nur 1 Frau.
Noch interessanter wird es, wenn man die Erklärungen einiger Unternehmen betrachtet. Die Frauenquote scheint bislang zumindest kein Thema zu sein.
Einige Beispiele, welche vermelden ließen, den Empfehlungen des Kodex zu entsprechen sind :
  • Bayer, Aufsichtsrat: 19 Männer und 1 Frau.
  • Deutschen Börse Group, Aufsichtsrat: 17 Männer und 1 Frau.
  • Daimler, Aufsichtsrat: 19 Männer und 1 Frau.
Das dies nur eine unzureichende Erfüllung der Kriterien darstellt, wird anhand der Zahlen klar.
Als einziges Unternehmen nennt "Monitor" die Deutsche Telekom, welche sich nun eine Frauenquote von 30% verordnet hat. Unternehmensintern wurde es hier bereits seit einem Jahrzehnt mit Freiwilligkeit versucht, leider erfolglos.

Frauenquote - Behandelt nur das Symptom?

Es gibt immer häufiger Positionen welche eine verbindliche Frauenquote fordern. Familienministerin Schröder hingegen äußerte sich gegen ein solches Gesetz. Sie erklärte "[...] was wir brauchen, sind politische Veränderungen, die wir am besten mit Unterstützung der Wirtschaft und nicht im Kampf gegen die Wirtschaft erreichen" und argumentierte gegen eine Frauenquote als reine Symptombehandlung ("Gesetze wirken bei gesellschaftspolitischen Problemen oft wie Kortison gegen Hautausschlag. Das Symptom ist erst mal beseitigt, aber die zugrunde liegenden Ursachen, die bleiben bestehen.").
Eine kausale Therapie der Chancenungleichheit scheint bislang nicht entdeckt oder ist zumindest in den vorherrschenden Strukturen noch nicht angekommen. Aber die von ihr gepriesene Behandlung auf freiwilliger Basis hat sich leider als unwirksam herausgestellt.
Wie kann man Chancengleichheit in Kreisen fördern, welche davon profitieren sich selbst abzusichern in dem sie Offenheit und Aufklärung ausbremsen?
Garnicht, so dachte möglicherweise der ehemalige Wirtschaftminister von Norwegen Ansgar Gabrielsen und brachte ein Gesetz für eine Frauenquote in Aufsichtsräten auf den Weg.
Norwegische Aktiengesellschaften müssen inzwischen eine Frauenquote von 40% nachweisen, ansonsten droht ihnen die Schließung. Bislang wurde kein einziges Unternehmen geschlossen und in den Aufsichträten darf man sich über einen Frauenanteil von 42% freuen.
Neben Norwegen hat sich eine solche Regelung auch in Frankreich, Spanien und den Niederlanden bewährt.

Warum es überhaupt sinnvoll ist Frauen in Spitzenpositionen zu haben


Grundsätzlich sollten jedem Menschen die selben Chancen und Möglichkeiten geboten werden, dies bedeutet auch, dass es Frauen möglich sein sollte bei ausreichender Qualifizierung in Spitzenpositionen beschäftigt zu werden. Desweiteren sprechen laut Monitor die Studien zum Thema Frauen in Führungspositionen eine eindeutige Sprache. Das Magazin erklärt, dass Unternehmen mit größerem Frauenanteil im Vorstand durchschnittlich höhere Renditen erwirtschaften, dass frauengeführte Hedgefonds nahezu doppelt so hohe Gewinne erwirtschaften und trotzdem in der Finanzkrise nur halb so hohe Verluste verkraften mussten. Desweiteren ist die Innovationskraft in gemischten Teams höher, da Frauen Erfahrungen aus anderen Lebensbereichen mitbringen.


Schlusswort des Autors

Prinzipiell habe ich eine liberale Einstellung zu gesellschaftpolitischen Themen. Jedoch denke ich, die Erfahrung zeigt eindeutig, dass im Rahmen freiwilliger Maßnahmen das Problem der Ungleichbehandlung nicht ausreichend behoben werden kann. Demnach halte ich eine Frauenquote für das Mittel der Wahl und möchte an dieser Stelle auch Ministerin Schröder widersprechen. Zwar wird ein solches Gesetz zu Anfang rein symptomatisch wirken aber nach und nach werden - so denke ich - durch die reine Präsenz von Frauen in diesen Positionen die Klischees und Vorurteile der bislang abgeschottet existierenden Führungsschicht eliminiert oder zumindest verringert werden.


Frauenquote ja oder nein? Wie denkt ihr darüber?





Quellen: Monitor Nr. 604 vom 25.03.10, Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex
Bildnachweis: "Buisness Women" von mirimcfly - Bestimmte Rechte vorbehalten.

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