Samstag, 8. Mai 2010

Medizin: Organspenden: So läuft eine Transplantation in Deutschland ab.

Sie helfen täglich Menschenleben zu retten oder Kranken eine neue Lebensqualität zu ermöglichen: Organspenden. 

3897 Organe wurden im Jahr 2009 postmortal in Deutschland gespendet. Auf deutsch heisst das, dass 1217 Menschen ihr Leben -zumeist plötzlich- verloren haben. Noch genauer gesagt: 1217 Menschen erlitten in Deutschland den so genannten Hirntod und hatten entweder die Organentnahme verfügt - z.B. durch einen Organspendeausweis- oder die Angehörigen hatten die zu Lebzeiten geäußerten Spendebereitschaft des Betroffenen versichert. Diese Spenden werden von der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) koordiniert. Zusätzlich zu den postmortalen Spenden kommen rund 660 Nierenspenden und Leberlappenspenden, von Gesunden an Kranke - diese Spenden werden als Lebendspenden bezeichnet.


Das klingt schon relativ viel, wenn man jedoch bedenkt, dass die Warteliste auf Organe derzeit etwa 12 000 Namen enthält, stellen sich viele zu Recht die Frage: Warum spenden nicht viel mehr? Es sterben doch fast 1 Million Menschen in Deutschland pro Jahr.

Welche Vorraussetzungen für eine Organspende gibt es?

Pro Jahr sterben in Deutschland wirklich ca 850 000 Menschen. Außerdem stehen laut einer forsa-Umfrage (2001) 82% der Deutschen einer Spende positiv gegenüber und 67% wären bereit Organe zu spenden. Aber  aus verschiedenen Gründen ist es nicht möglich jedem Organe zu entnehmen, der dies auch möchte.
Der Hauptgrund ist, dass um einem Menschen funktionstüchtige Organe entnehmen zu können, eine besondere Fallkonstellation vorliegen muss. Es muss der Hirntod eingetreten, aber die Organfunktionen künstlich (intensivmedizinisch) aufrechterhalten sein und wie gesagt eine Einwilligung zur Organentnahme vorliegen. Zusätzlich zu den 1217 Personen bei denen diese Konstellation vorlag, kamen im Jahr 2009 565 Menschen, bei welchen die Einwilligung nicht vorlag oder abgelehnt wurde. Das entspricht etwa 30% der in Frage kommenden Personengruppe. Dieser Artikel soll dabei helfen, diese 30% davon zu überzeugen, anderen Menschen eine weitere Chance zu geben.

Hirntod - Was genau ist das?

Der Hirntod beschreibt eine Situation, in welcher durch z.B. Sauerstoffmangel oder Hirndruck (durch Tumore oder Hirnblutungen) der Ausfall der Gesamtfunktion des Gehirns (Zusammenspiel von Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm) durch keine Therapie behebbar ist. Kurz gesagt: Das Gehirn ist unwiederbringlich funktionslos. Ein solcher Patient wird komatös sein, künstlich beatmet werden müssen und alle Hirnstammreflexe verloren haben.
Da diese Patienten auf den ersten Blick nicht anders wirken, als viele andere Patienten mit sehr schweren Hinrschädigungen ist es oftmals problematisch für Angehörige diesen Hirntod anzuerkennen.
Die Feststellung des Hirntods ist ganz eindeutigen, strengen Kriterien unterworfen um eventuelle Falsch-Diagnosen unmöglich zu machen. Es werden Intoxikationen durch Bluttests ausgeschlossen und abgewartet, bis verabreichte Schlafmedikamente (Sedierung) ausgeschieden wurden.
Danach werden 2 unabhängige Ärzte -mit mehrjähriger Erfahrung- den Hirntod feststellen. Diese Ärzte dürfen nicht an der Transplantation beteiligt sein, um Interessenkonflikte auszuschließen. Neben der klinischen Untersuchung auf Ausfall der Atmung und Reflexe und  nach einer graphischen Darstellung der Hirnschädigung (CT/ MRT) wird unter Anderem ein EEG - die Messung der Hirnströme - durchgeführt. Hierbei darf keine Hirnaktivität ersichtlich sein. Die Feststellung des endgültigen Hirntodes dauert oftmals mehrere Tage - insbesondere dann wenn Patienten vor dem Hirntod große Mengen an Schlaf-/ bzw Narkosemitteln erhalten haben. Diese Tage sind selbstverständlich für Angehörige sehr belastend und es sollte ihnen maximale Aufmerksamkeit zuteil werden.
Sollte diese tragische Situation gegeben sein, muss nun noch die Einwilligung erfolgen.


Wege der Einwilligung oder Ablehnung

Optimal ist es, wenn der Verstorbene (ab dem Zeitpunkt der Hirntodfeststellung gilt der Mensch als tot) einen Organspendeausweis dabei hatte und damit sein Wille deutlich ist. Wenn kein Organspendeausweis ausgefüllt wurde, werden die nächsten Angehörigen gefragt ob der mögliche Spender mündlich den Willen zu spenden geäußert habe oder wie der mutmaßliche Wille des Verstorbenen sei. Falls nichts davon hinreichend erörterbar ist, werden schließlich die Angehörigen nach ihrem eigenen Willen gefragt. Dies nennt man die sog. Zustimmungsregelung.
Um diesen Umweg über die Angehörigen und mögliche Spekulationen auszuschließen, möchte ich an dieser Stelle jeden Leser auffordern einen Organspendeausweis auszufüllen, oder den persönlichen Willen anderweitig zu dokumentieren. Auf dem Spenderausweis kann neben der Zustimmung zur Spende auch die Ablehnung der Organspende dokumentiert werden!



Internationaler Vergleich und Widerspruchsregelung

Es wird seit einigen Jahren diskutiert ob in Deutschland auch eine Widerspruchsregelung eingeführt werden soll, wie es z.B. u.a. in Österreich, Spanien, Polen und Portugal der Fall ist. Das bedeutet, dass grundsätzlich von einer Spendebereitschaft ausgegangen wird solange der Verstorbene zu Lebzeiten keinen Widerspruch formuliert hat. Im Vergleich der Anzahl postmortaler Organspender pro 1 Mio Einwohner liegt Deutschland mit 14,7 deutlich hinter Spanien (34,2) und Portugal (26,7) und Österreich mit 20,3. Ob die Quote Polens (11,2) auf schlechtere medizinische Ausstattung oder den ausgeprägten katholischen Glauben in Polen zurückzuführen ist kann ich nicht hinreichend beurteilen, Polen stellt jedoch das einzige Land mit Widerspruchsregelung dar, dessen Quote schlechter als die der BRD ist.


Wie geht es nun mit der Organspende weiter?

Nachdem die grundlegenden Kriterien erfüllt sind, wird die sog. organprotektive Intensivtherapie gestartet. Das bedeutet, dass bei einem möglichen Spender die intensivmedizinische Behandlung (z.B. die künstliche Beatmung) nach der Todesfeststellung nicht gestoppt wird, sondern dass die Therapie mit Beatmung, Medikamenten und teilweise sogar Reanimation unter speziellen Organ-schützenden Gesichtspunkten fortgeführt wird. Dazu werden von der DSO Richtlinen für Blutdruck und andere Vitalwerte angegeben. Durch die fehlende zentrale Steuerung der Vitalfunktionen bedeutet dies oftmals hohen intensivmedizinischen Einsatz.
Desweiteren werden Untersuchungen gestartet um Infektions- und Krebserkrankungen auszuschließen um die Sicherheit der immungeschwächten Organspender zu gewährleisten.
Bedingt durch solche Erkrankungen oder nicht bewältigbare Komplikationen bei der organerhaltenden Therapie mussten 2009 etwa 100 mögliche Transplantationen abgebrochen werden.
Nachdem alle Daten vorliegen, werden von der DSO und Eurotransplant die Empfänger bestimmt und die Entnahme organisiert.
Die Organe werden oftmals von den selben Chirurgen entnommen, welche die Organe später auch implantieren werden. Aus diesem Grunde reisen zur Entnahme oft einige Transplantationsteams aus anderen Krankenhäusern an und bringen die Organe nach der Explantation sofort persönlich zur Implantation. Die Zeit zwischen Ex- und Implantation muss möglichst kurz gehalten werden, um den Transplantationserfolg nicht zu gefährden. Nachdem alle geplanten Entnahmen durchgeführt wurden, wird der Leichnam verschlossen, alle künstlichen Zugänge entfernt und der Spender an den Bestatter übergeben.

Welche Organe können gespendet werden?

Auf einem Organspendeausweis sollte man vermerken, was genau gespendet werden soll und was nicht. Neben den Organen wie Herz, Lunge, Leber, Niere, Bauchspeicheldrüse und Darm können auch Gewebe transplantiert werden. Dies sind üblicherweise: Haut, Knochen, Hornhaut (der Augen), Sehnen, Knorpel, Blutgefäße und auch Herzklappen. Viele schrecken vor Gewebespenden zurück, da sie eine offene Aufbahrung wünschen, in diesen Fällen kann man mit dem DSO-Koordinator genau abstimmen, was gespendet werden soll und was nicht. Wenn jemand jedoch sowieso nicht aufgebahrt werden möchte und nicht der Meinung ist "unversehrt" beerdigt werden zu müssen, kann man anderen Menschen enorm damit helfen auch diese Gewebespende zuzulassen.

Welche Gründe gibt es gegen eine Spende?

Handfeste Gründe gegen eine Organspende sind schwer zu recherchieren, da es eigentlich keine gibt. Die meisten Religionen haben sich in den letzten Jahren von der Vorstellung distanziert, dass ein Leichnam unversehrt beerdigt werden müsse. Zumeist hat das altruistische Motiv der Nächstenliebe eine höhere Priorität und die Organspende wird akzeptiert.

Die Religionen zur Organspende:
  • Evangelische Kirche Deutschland: Hirntod wird anerkannt, Organspende wird befürwortet.
  • Katholische Kirche, Papst Benedikt XVI (2008): Organspende ist besondere Form der Nächstenliebe.
  • Islam: Zeichen der Nächstenliebe.
  • Buddhismus: Lebend- und postmortale Spende erlaubt.
  • Judentum: Hirntodkriterium anerkannt und postmortale Spende erlaubt.
  • Hinduismus: Teil der Tradition den Leidenden zu helfen.
  • Zeugen Jehovas: Organspende akzeptiert.
  • Konfuzianismus: Unversehrtheit des Leichnams ist anzustreben.
Selbstverständlich gibt es Einzelgruppierungen innerhalb der Religionen, welche andere Ansichten als die oben Genannten vertreten.

Desweiteren nennen Kritiker oft die Unsicherheit des Hirntodes und auch die Gefahr des Organhandels als Gründe eine Organspende abzulehnen. In Deutschland sehe ich durch die strengen Regelungen jedoch keinen Grund von Falschdiagnosen des Hirntods oder im schlimmsten Falle sogar von Organhandel-motivierten Falschdiagnosen auszugehen. Anders sieht dies in ärmeren Ländern aus, in denen es vorkommen kann, dass Menschen verschwinden und deren Organe an den Meistbietenden verkauft werden.

Schlusswort

In meiner Vergangenheit als Krankenpfleger auf einer neurochirurgischen Intensivstation habe ich einige Organspenden miterlebt und deshalb auch einen persönlichen Bezug dazu. Ich denke es kann für Angehörige oft sogar sehr tröstlich sein, dass der Verstorbene auch im Rahmen seines Todes anderen Menschen helfen konnte und in gewissen Maße "weiterlebt". Dass die Betreuung eines Hirntoten eine besondere Situation darstellt, insbesondere für die Pflegekraft, möchte ich an dieser Stelle ebenfalls noch einmal betonen. Es erfordert großes Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Angehörigen und die persönliche Belastung - in der Arbeit mit einem Verstorbenen - sollte nicht vernachlässigt werden. Eine erfolgreiche Transplantation ist aber auch immer ein Erfolgserlebnis, da der Tod des Patienten nicht so sinnlos erscheint.
In diesem Sinne: Besorgt euch einen Organspendeausweis, wenn es für euch keine Gründe dagegen gibt und erlaubt die Organentnahme. Wer weiß, ob nicht ihr selbst, ein Freund oder Verwandter irgendwann auf eine Spende hoffen muss.



Möchtet ihr noch zu speziellen Teilthemen etwas lesen? Oder habt ihr eine Meinung zu Thema? Dann schreibt einen Kommentar.



Quellen: DSO.de: Daten und Grafiken, Fachinformationen, Informationsmaterial, Wikipedia
Grafiken: DSO.de
Bild "Organspendeausweis": Wikipedia

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