Dienstag, 27. April 2010

Medizin: Homöopathie - Unsinn oder natürliche Wundermedizin?

Homöopathie und Alternativmedizin ist in aller Munde und einige gesetzliche und private Krankenkassen übernehmen bereits die Behandlungskosten dafür. Ist dies ein Grund zu jubeln oder Verschwendung wichtiger Gelder der Versicherten?

Der Erfinder und die Idee


Der deutsche Arzt Samuel Hahnemann verbreitete ab 1796 seine Idee einer alternativen Heilkunde welche auf dem Prinzip von "similia similibus curentur" (lat. "Ähnliches soll durch Ähnliches geheilt werden“) beruht. Er wählte also Substanzen, welche bei gesunden Menschen z.B. Kopfschmerzen verursachten, um an Kopfschmerzen leidenden Patienten - zu Anfang primär sich selbst - zu kurieren.


Verdünnen bis zum Verschwinden oder Wasser mit Gedächtnis


Eine Grundlage der Herstellung homöopathischer Arzneimittel ist die Potenzierung. Potenzierung bedeutet, dass die jeweiligen Arzneistoffe mit einer Grundsubstanz - zumeist Alkohol, Wasser oder Milchzucker - wiederholt verdünnt werden. Homöopathen gehen hierbei davon aus, dass Substanzen umso stärker wirken umso stärker sie verdünnt sind.
Die Konzentration wird in z.B. mit der D-Potenzierungsreihe in Dezimalschritten  ( D1 entspricht 1:10, D2 1:100, usw.) angegeben. Nach jeder weiteren Verdünnung wird das Mittel rhythmisch geschüttelt bzw verrieben. Diese Verdünnung wird so oft wiederholt, dass sich bei einigen Verdünnungskonzentrationen - ab D17 (entspricht 1 : 100000000000000000) - nicht ein einziges Molekül im späteren Arzneimittel nachweisen lässt. In der Homöopathie wird vermutet, dass durch das Verdünnen, Schütteln und Bewegen eine "spezifische Arzneikraft" entfaltet wird. Einige begründen diesen Effekt über dein sog. "Gedächtnis" der Grundsubstanz.
Zur Verdeutlichung: Bei einer - in der Praxis nicht unüblichen - D23-Verdünnung würde es genügen einen einzigen Tropfen eines Arzneimittels ins Mittelmeer zu geben, das Ganze zu schütteln und schon hat man ein sehr wirksames homöopathisches Arzneimittel.

Führt das Individualprinzip zur Idealform einer Arzt-Patienten-Beziehung?


Um nach homöopathischen Grundsätzen (definiert von Hahnemann) die passende Therapie für einen Patienten zu finden ist es notwendig eine sehr aufwendige, oft sogar mehrstündige Anamnese - also Krankengeschichte - zu erheben. Die Anamnese wird sehr sorgfältig erstellt und es werden auch Faktoren, welche in der Schulmedizin nicht "relevant" erscheinen z.B. der Alltag des Patienten berücksichtigt. Nachdem aus der Datensammlung die „Verstimmung der Lebenskraft“des Patientenerkannt ist, wird in einem Nachschlagewerk das auf das Symptombild passende Mittel - in der Regel in Form von Globuli also "Kügelchen", Tropfen oder Injektionslösungen - identifiziert und verordnet. Viele Patienten berichten von dieser intensiven Betreuung und Anamnese als sehr positives und vertrauenerweckendes Erlebnis.
Allgemeinhin gilt als nachgewiesen, dass intensive Beschäftigung und Zuwendung bei Kranken zu einer beschleunigten Rekonvaleszenz - also Genesung -  und zu einem positiveren Outcome - d.h. besseren Endergebnis - führen können.
Wäre es deshalb nicht sinnvoll generell Patienten eine solche Anamnese zukommen zu lassen?
Leider ist aufgrund des Kostendrucks im vorwiegend gesetzlich finanzierten Gesundheitssystem der BRD eine solche Anamnese nicht möglich. Ein Homöopath wird für das Einmalgespräch einer Anamnese beim Erwachsenen mindestens 100 € verlangen, wohingegen ein Kassenarzt derzeit für die "normale" Betreuung eines Patienten im Quartal ein Regelleistungsvolumen von ca 30 € erhält.


Wirksam oder doch Einbildung?

Bis zum heutigen Tag gibt es keinen empirisch erhobenen Nachweis der Wirksamkeit der Homöopathie, warum schwören also so viele Menschen auf die alternative Heilmethode?
Die Gesundungsraten der Homöopathie sind laut aktuellen Erhebungen vergleichbar mit denen der sog. traditionellen chinesischen Medizin oder auch den Placeboeffekt. Trotzdem gibt es immer wieder erstaunliche Heilungserfolge. Betrachtungen rational-naturwissenschaftlicher Mediziner sind diese Heilerfolge ausschließlich auf dem Placeboeffekt und dessen psychophysiologische Komponente basierend. Dieser Effekt ist eine nachgewiesene und gut dokumentierte Fähigkeit des Körpers sich selbst zu heilen bzw die Ausschüttung körpereigener Schmerzmittel anzuregen. Offiziell gilt die Anwendung von Placebos in der Schulmedizin als ethisch inkorrekt, es existieren jedoch Untersuchungen, die die inzwischen häufigere Anwendung von "Wasserlösungen" und "Zuckertabletten" belegen. Zu beachten gilt außerdem, dass nicht alle homöopathischen Arzneimittel wirkstofffrei sind, schließlich ist bei Konzentrationen kleiner als D17 ein Nachweis des Wirkstoffes möglich.
Zusammenfassend kann also behauptet werden, dass auch Homöopathie wirksam ist. Welche Gründe sollte es denn nun gegen die Anwendung von Homöopathie geben?


Gefährliche Unterlassung?

Es gibt inzwischen eine große Zahl von Menschen, welche sich oder ihre Kinder ausschließlich mit homöopathischen Mitteln behandeln. Auf den ersten Blick scheint dies eine sehr gesunde Lebensweise zu sein, was jedoch wenn es zu schweren Erkrankungen kommt?
Weltweit gab es in den letzten Jahren immer wieder Todesfälle oder schwere Behinderungen dadurch bedingt, dass Patienten oder deren Kinder, welche dringend schulmedizinische Hilfe benötigt hätten, vom behandelnden Homöopathen zu spät oder garnicht in konventionelle Behandlung überwiesen wurden - oder diese die schulmedizinische Behandlung ablehnten.
In einer Solidargemeinschaft wie der BRD wiegt dies besonders schwer, da die Folgekosten einer solchen Krankheitsverschleppung und der entstandenen Beeinträchtigungen enorm sein können.
Desweiteren raten einige Homöopathen ihren Patienten komplett oder von einzelnen von Schutzimpfungen ab. In den letzten Jahren ist aus dieser Impfmüdigkeit oder Impfablehnung eine signifikante Zunahme verschiedenster Krankheiten z.B. Masern resultiert. Dies gefährdet neben den aus freiem Willen Nicht-Geimpften auch die Patientengruppen, welche nicht geimpft werden können z.B. Säuglinge. Dass Impfungen nicht völlig gefahrlos sind, so die Argumentation vieler Impfgegner, ist absolut richtig. Jedoch werden in Deutschland nur Impfungen zugelassen, bei welchen der Nutzen die Risiken deutlich überwiegt.

Industriezweig Homöopathie

Wie gesagt, Homöopathie boomt, also gibt es auch genug Unternehmen, die das für sich erkannt und genutzt haben. Pharmakonzerne welche sich spezialisiert haben, setzen derzeit - obwohl bislang nur die wenigsten homöopathischen Arzneimittel von den gesetzlichen Kassen übernommen werden - bereits rund 1 Milliarde Euro pro Jahr um. Deutschland liegt weltweit auf Rang 2 knapp hinter Frankreich, was das Umsatzvolumen angeht. Von deutlichen Steigerungsraten ist bei einer allgemeinen Anerkennung der Homöopathischen Lehre durch die Krankenkassen auszugehen.
Warum sollten die Krankenkassen nicht nachgewiesene und teilweise sehr kostspielige Heilpraktiken anbieten?
Durch die Vereinheitlichung des gesetzlichen Krankenkassenbeitrags sind viele Kassen gezwungen neue Wege zu finden um Kunden anzulocken, ein Modell - neben z.B. Bonusprogrammen - ist, dass Kassen mit ihren besonderen Leistungen werben. Da Alternativmedizin derzeit sehr populär ist, ist dies ein sehr beliebtes Mittel um potentielle Kunden zum Krankenkassenwechsel anzuregen.

Warum schwören so Viele auf Homöopathie?

Homöopathie ist durch mehrere Faktoren (siehe oben) als wirksam anzusehen. Und einzelne herausragende Heilungserfolge schwerer Krankheiten sind nicht zu leugnen, wobei Kritiker diese als sogenannte Spontanremissionen (unerklärte Spontanheilungen) beurteilen.
Ein weiterer Faktor ist der Wirksamkeit ist die Tatsache, dass viele "homöopathische" Mittel, die häufig mit Erfolg angewendet werden, auf Grundlage von speziellen pflanzlichen Wirkstoffen hergestellt werden. Diese Wirkstoffe sind oftmals auch ohne rituelle Verdünnungsmethoden wirksam und werden auch zunehmend als Naturheilkunde von Schulmedizinern angewendet.
Immer häufiger wird die Angst von Patienten vor sogenannter Chemie geschürt und Homöopathie in Zusammenhang mit der Naturheilkunde genannt. Dieses grüne Image, welches eigentlich der Naturheilkunde gebührt, wurde in den Köpfen Vieler an Homöopathie verlinkt. Diese positive Verknüpfung spielt für einen Großteil der Menschen, welche sich auf die alternative Heilkunde einlassen, eine enorme Rolle.
Dass eine evidenzbasierte Naturheilkunde überhaupt existiert wissen leider nur die Wenigsten.


Homöopathie sollte weiterhin jedem der Interesse daran hat offenstehen, jedoch denke ich dass die derzeitige Entwicklung, welche die Schulmedizin stigmatisiert und alternative Methoden teils kritiklos lobt, langfristig zu Problemen insbesondere in sozialen Gesundheitssystemen wie dem Unseren führen wird.


Sollten Erkenntnisse vorliegen, welche ich nicht berücksichtigt habe, oder falsch wiedergegeben habe, bin ich sehr dankbar informiert zu werden. Selbstverständlich gilt: Alle Angaben ohne Gewähr.

Was denkt ihr zum Thema? 

Weiterführende Links:
Spiegel.de - Medizinische Studie: Homöopathie beruht auf Einbildung 
Welt.de - Homöopathie: Tinkturen und Pillen auf Rezept 
Verband klassischer Homöopathen Deutschland e.V. 
Laborjournal online - "Die Wunderforscher"

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1 Kommentar:

  1. Homöopathen verwenden genauso Schulmedizin, arbeiten empirisch und schicken Patienten in eine allopathische Klinik, und immer wenn man Ausbeutung konstatieren kann, geschieht das durch falsch angewandte Homöopathie durch Globuli, die angeblich allgemein etwas Bestimmtes heilen können.

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